Meine Bedeckung- ein Teil meiner Souveränität II

 

 

Der Prophet (sas) sagte: "Wem Allah Gutes zuteil werden lassen will, den prüft Er mit Drangsal" [Sahîh al-Bukhârî]

 

 

 

Während ich glückselig meine neue Selbstbestimmung genoss, wuchsen in den Herzen anderer Abneigung, Unverständnis und gar Verachtung und Spott.

 

Als am Abend meine Mutter von der Arbeit kam stand ihr der Schock ins Gesicht geschrieben. Sie konnte es nicht fassen, dass ich tatsächlich den Hijab tragen wollte. Ich tat alles, um ihr zu erklären, wie wichtig das für mich war und wie wohl ich mich damit fühlte. Doch es nützte nichts. Es sollte noch drei Jahre dauern, bis sie sich öffnen konnte.

Zuerst sprach sie mehrere Tage kein Wort mit mir. Dann kam es zu einem schlimmen Streit. Ich versuchte mich zu erklären und sie versuchte mir verständlich zu machen, dass sie Angst um mich hatte. Immer wieder sagte sie, dass mich eines Tages einer der vielen Nazis abstechen würde. „Wir leben nun einmal in einem rassistischen Umfeld.“

Da wir leider früher ein sehr schlechtes Verhältnis miteinander hatten eskalierte es schließlich vollends. Sie stach mir aus lauter Verzweiflung und im Reflex eine Gabel in den Arm.

 

Niemand kann sich vorstellen, wie schwer diese Prüfung ist, wenn er es nicht selbst erlebt hat. Mit der eigenen Familie, im eigenen Zuhause derartige Konflikte austragen zu müssen, und sobald man das Haus verlässt angefeindet und angegriffen zu werden, ist eine enorme Geduldsprobe.

 

Möge Allah alle Geschwister in diesen und ähnlichen Situationen stärken und festigen.

 

Ich hielt an meinem Herzenswunsch fest. Dank Allah. Alles Gute kommt von Ihm, dem Gepriesenen.

Aus heutiger Sicht kann ich meine Mutter mehr verstehen. Ihre Ängste und Befürchtungen. Ein Mensch, der so reagiert, hat selbst Schlimmes erlebt und bereut in seinem Innersten, dass er sich selbst nicht unter Kontrolle hat, so wie er es eigentlich gerne hätte.

 

Leider barg mein erster Schultag mit Hijab ebenfalls unschöne Momente. Als ich das Physikzimmer betrat schauten mich alle an, als ob sie ein Alien gesichtet hätten. Wie immer begrüßte ich meine Klassenkameraden und setzte mich mit meiner damals besten Freundin. Sie war die Einzige, die zu mir stand und mich so nahm, wie ich war. Bereits im Schulflur staunten die mir entkommenden Lehrer und Schüler nicht schlecht. Ich unterhielt mich mit meiner Freundin als plötzlich der Schuldirektor in der Tür stand. Er suchte mich, sah mich mit ernster Miene an und befahl: „AUSZIEHEN!“, während er auf mein Kopftuch zeigte. So schnell wie er gekommen war, war er auch wieder weg. Alle sahen völlig perplex zu mir. Ich zuckte mit den Schultern und versuchte nach Außen die Fassung zu wahren. Mehrere Wochen ignorierte er mich. Wenn ich vor ihm stand und ihn begrüßte sah er über meinen Kopf hinweg und begrüßte jemand anderen.

 

Eines Tages sprach er plötzlich wieder mit mir- was eine jüdische Autorin damit zu hatte könnt ihr hier nachlesen.

Er war es sogar, der mich mit in den Landtag, zur Entgegennahme einer wichtigen Auszeichnung des Bundeslandes für die Schule, nahm. Ich sollte den Preis vor den Presseleuten entgegennehmen. Und tat es.

 

Die Schüler gewöhnten sich daran, mich nun immer so zu sehen. In meiner Klasse gab es keine Probleme. Nur in den anderen Klassen gab es Schüler, die mich immer wieder anfeindenden. Selbst ausländische Schüler mobbten mich.

Beispielsweise als wir nach Paris fuhren zu einer Sprachreise. Da lachten einigen Mädchen mit vietnamesischem und deutschen Background über mich, die bekannt dafür waren, dass sie zu den „ganz coolen“ gehörten, und brüllten durch den Bus: „Hey, roll mal lieber deinen scheiß Gebetsteppich aus!“.

 

In Paris angekommen fühlte ich mich dann so wohl, wie ich es in meiner Heimatstadt noch nie tat. Es gab da so viele Muslime. Ich war überrascht, dass es in Europa derart viele Muslimat gibt. Und was mich noch mehr überraschte war die Offenheit, die dort herrschte (ich weiß nicht, wie es heute ist!). Keiner interessierte sich oder kommentierte die Kleidung der Musliminnen. Ganz im Gegenteil, ich wurde sehr freundlich behandelt. Es ist mir auch mehrmals passiert, dass Muslime auf mich zukamen und fragten, wo ich denn herkomme. Es war schön diese Erfahrung gemacht zu haben, besonders in diesen dunklen Zeiten.

 

Trotz all dieser Erschwernisse, die mich damals so gehäuft begleitet haben, kann ich aus tiefstem Herzen sagen, dass ich dankbar dafür bin, auch diese erlebt zu haben. Diese Art des Alleinseins hat mich vor großem Schaden bewahrt. Mir blieben die hemmungslosen Erfahrungen in Diskotheken erspart, das Experimentieren mit Alkohol und Drogen durch den Gruppenzwang. Al hamduliLLAH. Ich bin Allah soooo dankbar. Er ta´ala hat mich allein sein lassen, um mich zu schützen.

 

All die Erniedrigungen und Verletzungen haben mich gelehrt ich selbst und demütig zu sein. Denn wie viele meiner Altersgenossen waren überheblich und haben sich für die Größten gehalten. Auch wenn ich diese Dinge damals nicht sehen konnte. Heute sehe ich, dass es besser ist ein Außenseiter, weil ein selbstdenkender Mensch zu sein, als in diesen Gruppendynamiken sich und seine eigentlichen Werte und Vorstellungen zu verlieren. Zu verlieren in einer Welt der Oberflächlichkeit und der Verwirrung.

 

Ich bin dankbar für den Kampf, den ich mit mir selbst führen musste, auch wenn ich nicht immer über mich gesiegt habe, habe ich doch jedes Mal etwas gelernt. Er hat mich reifen lassen. Al- hamduliLLAH! Ich bin dankbar für den Widerstand, den ich erleben musste, denn er lehrte mich, dass ich stark sein kann, dass Überzeugungen keine bloßen Lippenbekenntnisse sind. Al- hamduliLLAH! Ich bin dankbar für jeden einzelnen Angriff, denn diese lehrten mich, dass ich wichtige Entscheidungen getroffen haben, die es gilt zu schützen und zu leben, um mir selbst treu zu bleiben.

 

Ya Allah, bitte gib mir und meinen Glaubensgeschwistern Standhaftigkeit und Aufrichtigkeit in der Religion!

Ya Allah, bitte lass unsere Herzen offen sein für Deine Weisheiten und Lehren!

Ya Allah, bitte gib uns Ruhe und Geduld bei allem, was wir tun!

 

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