Mein Weg zum Islam

 

Wie fängt man so eine Geschichte denn möglichst spannend an?

 

Ich könnte sie mit meiner außergewöhnlichen Namensgebung nach der Geburt beginnen, doch dann würde ich zu viel über meinen wahren Namen preisgeben.

 

 

Schade, also fange ich heute einfach mal ganz schnöde an:

 

Meine Eltern trennen sich als ich noch ganz klein bin. Beide sind Deutsche und nicht sonderlich religiös. Aufgewachsen bin ich bei meiner Mutter, ohne Kontakt zum Vater.

 

 

Als ich schließlich eingeschult werde heiratet meine Mutter einen Nordafrikaner. Er ist Muslim und fängt Stück für Stück wieder an seine Religion zu leben. Während wir Weihnachten und Ostern feiern, geht er seinen religiösen Weg. Jeder in unserer zusammengewürfelten Familie lebt seine Ansichten. Nur was das Fleisch anbelangt ist von Anfang an klar, dass kein Schweinefleisch und nichtislamkonformes Fleisch mehr ins Haus kommt. Aus Respekt gegenüber dem, der es eben nicht im Topf haben mag. Und so vergehen die Jahre.

 

 

Als leise Beobachterin vergleiche ich die ganze Zeit über bewusst, wie das Leben, das ich bereits kenne und das Leben, das mir neu ist, funktionieren. Eines Tages, als noch ganz früh und dunkel draußen ist, bin ich wach, weil ich sehe, dass jemand das Licht im Wohnzimmer angemacht hat. Neugierig schlüpfe ich aus meinem Bettchen, vorbei an meiner kleinen schlafenden Schwester, die im Gitterbett liegt. Ganz sachte öffne ich die Wohnzimmertür und schaue durch den Spalt herein. Auf der Couch sehe ich meinen Stiefvater sitzen, wie er allein etwas isst.

 

„Es ist doch noch dunkel draußen, warum isst der denn hier alleine?“, frage ich mich. Da bemerkt mich mein Stiefvater und ruft mich zu sich. Ich setze mich auf das gemusterte Sofa und wundere mich über all die leckeren Sachen, die da auf dem kleinen Couchtisch liegen.

 

 

„Komm, iss auch etwas! Das drückt man so in die Schüssel mit Zucker. Sehr lecker“, ermutigt er mich und gibt mir eines dieser frittierten brotähnlichen Dinger in meine kleine Hand.

 

Ich tue, wie mir empfohlen und bin sofort hin und weg. „Lecker!“, gebe ich mampfend als Feedback zurück. Wir lächeln uns an und geniessen das frühmorgendliche Essen zu  zweit.

 

„Warum isst du denn jetzt?“, frage ich schließlich. „Weil ich, wenn die Sonne aufgeht, bis heute Abend nichts mehr essen und trinken darf. Das machen wir Muslime; denn jetzt ist Ramadan“, erklärt mein Stiefvater - auch wenn sein Deutsch damals noch gebrochen war.

 

„Hä, echt? Dann mache ich das auch“, fasziniert von seiner Erklärung stehe ich nun fast jeden Morgen mit auf und fühle mich unglaublich wohl in dieser Atmosphäre.

 

 

So ziehen die Jahre ins Land und in mir wächst die Sehnsucht all diese Dinge verstehen zu können. Einfache Antworten, wie „weil wir Muslime das so machen“ reichen mir bald nicht mehr. Ein prägendes Gespräch mit meiner Mutter bleibt mir bis heute im Sinn. Wir saßen auf dem Balkon und hatten spontan ein Gespräch über Gott und die Welt angefangen. Da sagte meine Mutter: “Ich bin fest davon überzeugt, dass es da oben irgendjemanden gibt, der auf uns schaut und uns vielleicht sogar, so ähnlich wie Schachfiguren, auf einem Spielbrett strategisch umherschiebt.“

 

Irgendetwas in mir empfindet so etwas wie eine Art von Bestätigung oder Anerkennung, obwohl ich noch in der Grundschule bin. Irgendeinen Grund gibt es, dass wir hier sind, und irgendjemand muss uns „gemacht“ haben.

 

Mit der Zeit fange ich an, mich selbst als Muslima zu bezeichnen. Es kommt einfach irgendwann über meine Lippen. Als ich dann an der weiterführenden Schule Referate über die verschiedenen Weltreligionen halte und mich mit unfassbar vielen Weltanschauungen befasse, wie beispielsweise mit dem Okkultismus oder dem Hinduismus, wird mir immer klarer, dass mein Verstand und mein Herz für den Islam schlagen. Die Glaubenslehre des Islam ist für mich, im Gegensatz zu allen anderen Religionen, absolut logisch.

 

Beispielsweise, weil Wissenschaft und religiöse Überzeugung sich nicht ausschließen. Ich bin fasziniert von der menschlichen Anatomie und den Galaxien. Als Mädchen habe ich fast jede Nacht den Sternenhimmel bewundert. Wissenschaftliche Erkenntnisse, für die sich westliche Wissenschaftler gerne die eigene Schulter klopfen, sind für uns Muslime schon durch die Offenbarungen von vor über 1400 Jahren bekannt. Das ist faszinierend.

 

In der Sura 45: al-Gatiya (Die Kniende) finden wir genau diesen Umstand so wunderschön beschrieben.

 

Wie bspw. in der Aya 3: In den Himmeln und auf der Erde sind wahrlich Zeichen für die Gläubigen.“

 

 

Und so kommt es, dass ich mit ca. elf Jahren voller Überzeugung, von mir sage Muslimah zu sein.

 

Al hamdulillah, das größte Geschenk auf Erden wurde mir überreicht, und noch heute überkommt mich eine derart tiefe Dankbarkeit, dass ich es kaum ertragen kann.

 

 

 

"Und sie sagen: „(Alles) Lob gehört Allah, Der uns hierher geleitet hat! Wir hätten unmöglich die Rechtleitung gefunden, wenn uns Allah nicht rechtgeleitet hätte." (Sura 7:43)

 

 

 

Nun beginnt mein schwerer individueller Weg zwischen all den Menschen, die nichts vom Islam hören wollen, gegen meine Religion sind oder einfach ganz anders leben und kaum Gemeinsamkeiten mit mir haben. Aber auch ein Weg der neuen besonderen Freundschaften und Erkenntnisse.

 

 

 

Ein Weg der Einsamkeit und der Gemeinschaft.

 

Ein Weg der großen Prüfungen in der Religion.

 

Ein Weg der Suche und des Findens.

 

Ein Weg der Sehnsucht und des Ankommens.

 

Ein Weg der Infragestellung und der Erkenntnis.

 

Ein Weg der unfassbaren Traurigkeit und zugleich der fesselnden Liebe, des Vertrauens in Allah und der Geborgenheit.

 

 

 

Mein Weg, der noch nicht zu Ende gegangen ist...

 

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