Wenn die Konvertierung zum Islam eine Familienkrise nach sich zieht

BismiLLAH /Mit dem Namen Allahs

Erst gestern musste ich wieder von einer neukonvertierten Muslimah erfahren, dass ihre anfangs relativ entspannten Eltern, mittlerweile Panik haben, was ihre Konvertierung anbelangt.
Was sie mir anschließend erzählte bedrückt mich sehr, obwohl ich dieses Problem bereits oft miterlebt und bei anderen Neukonvertiten beobachten musste.

Mit dem heutigen Blog möchte ich gerne dazu beitragen, dass Eltern und andere Familienangehörige, sich etwas verstanden und angenommen fühlen, in ihren Ängsten.
Und dass sie sich trauen in ein offenes Gespräch mit ihren konvertierten Familienmitgliedern zu gehen.

Denn genau hier liegt das allergrößte Problem, meiner Erfahrung nach: viele Eltern, Tanten, Onkel, Großeltern etc. sind so sehr in ihrem Angstfilm gefangen, dass sie nicht mehr in ein neutrales und gerechtes Gespräch mit ihren, zum Islam gekommenen, Familienangehörigen finden können.

Das kann ich total nachempfinden! Ja wirklich, denn auch ich habe mich bereits mit IS-Leuten angelegt und versucht junge radikalisierte Muslime wieder zur Vernunft zu bringen.
Also, ja, ein Grundverständnis ist da für die Ängste vieler nichtmuslimischer Familien.
Gerade von mir als Muslimah!

Jedoch, tritt es Verhältnismäßig recht selten auf, dass junge Neumuslime sich radikal ins Schlechte ändern. Nicht häufiger, als wenn sie sich anderen religiösen Gruppen oder Subkulturen und deren potenziellen Sekten anschließen. (Ja, die Leute des sogenannten „IS“ sind Sektenanhänger, so wie der IS der Kopf der Sekte ist!)

Genau hier möchte ich einhaken. Viele Nichtmuslime meinen einen heranwachsenden Terroristen vor sich zu sehen, wenn sie folgendes beobachten:
wenn sich ein Konvertit starken Veränderungen unterzieht, die nun einmal Teil der Religion sind und zu seinem neuen Religionserleben gehören? Wie etwa, wenn bald das Gebet 5x täglich verrichtet wird, er oder sie sich langsam auch äußerlich zunehmend anders kleiden, auf die Ernährung nach islamkonformen Kriterien geachtet wird oder religiöse Schriften gelesen werden usw..
Ist das ein Zeichen für eine Radikalisierung?

Nein! Ganz sicher nicht. Doch leider wird dies in vielen Anti-Radikalisierungs-Broschüren und -projekten so dargestellt. Diese Veränderungen zeigen nur eines: der Neumuslim sucht die Nähe zu seinem Schöpfer und möchte nicht nur Worte, sondern auch Taten folgen lassen, um kein „Muslim-just-by-Name“ zu sein, sondern ein wahrhaftig Praktizierender.

Meist kann man beobachten, dass ganz besonders das Verhalten der Neumuslime sich gegenüber der Familie ebenfalls stark ändert: sie werden ruhiger und geduldiger, da ihnen der Islam vorschreibt genau dies zu sein. Ja, besonders im Umgang mit ihren nichtmuslimischen Verwandten werden sie dazu angehalten Geduld zu zeigen und den Kontakt nicht abzubrechen!

Interessanter Weise sind es eher viele der Familien, die durch ihren Schock, der unterbewusst durch die medienwirksame Arbeit hervorgerufen wird, bspw. ihre Kinder, Cousinen etc. unter Druck setzen oder vor die Wahl stellen. „Entweder du kommst ohne Kopftuch zum Kaffetrinken oder du kannst gleich weg bleiben!“, „Du darfst auch nicht in deinem Zimmer beten. Das wollen wir hier nicht! Und gegessen wird Schwein, wie schon immer. Denn das ist unser Haus!“, „Ich melde dich beim Jugendamt, wenn du dieses flatternde Gewand nochmal anziehst auf der Straße! Dann nehmen wir unseren Enkel zu uns!“

Dies geschieht leider immer und immer wieder- in DEUTSCHLAND! Die Konvertiten (und manchmal auch neu zum Islam gekommenen, aber aus nichtreligiös orientalischen Familien Stammenden) stehen dann zwischen ihrer Identität, ihrem neuen Lebensweg und den Forderungen ihrer Familien, die sie nicht verlieren wollen.
In der Regel geben sie sich viel Mühe, um zu erklären und um Anerkennung und Toleranz zu flehen, doch es wird ihnen kaum Gehör geschenkt.

Dann gibt es natürlich auch die Familien, in denen die Konvertierung zum Islam kein Problem darstellt. Diesen Eltern und Verwandten möchte ich an dieser Stelle meine Hochachtung aussprechen, denn ich weiß, dass es nicht einfach ist dabei zuzuschauen, wie ein geliebter Mensch einen so anderen Lebensweg einschlägt. Diese Art von Familien sehen nicht das, was nicht mehr miteinander geht, sondern das, was nun viel intensiver miteinander wird: tiefgründigere Gespräche, die sich aus aufkommenden Lebensfragen ergeben; Gemeinsame neue Erfahrungen; Strandbesuche mit Burkini u.v.m…

Wie schön wäre es doch, wenn man den Fernseher ausschalten und miteinander sprechen könnte. All die typischen Fragen, wie „Gehst du jetzt zum IS?“, „Wer zwingt dich dazu?“, „Gehst du bald nur noch mit einem Schlitz vor den Augen raus und gibst alles auf, was du dir erarbeitet hast?“ könnten dann ersetzt werden durch aufrichtiges Interesse an dem Wandel in der geliebten Person und den daraus folgenden Fragen, wie bspw. „Wie kam es denn zu deinem Entschluss?“, „Was macht dieser Weg gerade mit dir?“, „Wie sieht denn unsere gemeinsame Zukunft aus?“ etc….

Eure konvertierten Verwandten lieben euch noch immer und sie werden es auch immer tun. Sie haben lediglich einen anderen Weg eingeschlagen, der doch noch immer so viele gemeinsame Parallelen aufweist, dass man immer noch gemeinsam durchs Leben schreiten kann.
Eis essen, Spaziergänge, das Spielen mit den Enkeln, Shopping, Tee trinken im sommerlichen Garten, gemeinsam Kekse backen und vieles mehr können immer noch zusammen erlebt werden.

Stoßt sie also nicht von euch! Nehmt sie bitte an! Liebt sie, ohne sie mit euren eigenen Vorstellungen erdrücken zu wollen!

Und auch ihr, meine lieben Geschwister im Islam, seid geduldig, so wie es unser geliebter Prophet (Allahs Segen und Frieden auf ihm) war. Eignet euch den besten Charakter an. Zeichnet euch durch Milde und Nachsicht aus, ohne euch selbst aufzugeben und verbringt schöne Momente mit euren Verwandten! Geht auf ihre Gefühle ein, in dem ihr ihnen zuhört und eventuelle Ängste abbaut.


🖋️ Eure Namika die Schreiberin.

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