Sexuelle Aufklärung in muslimischen Familien

BismiLLAH/ Mit dem Namen Allahs

Mama, was ist „sexen“?
Aufklärung in muslimischen Haushalten- Offenheit, Vertrauen und angebrachte Schamhaftigkeit unter einem Hut.


- Einführung - 

Heute wage ich mich an ein tabuisiertes Thema heran - aber gut, das ist ja nix neues auf dem Blog - und bin gespannt, ob meine Tipps und Gedanken dem ein oder anderen Elternteil etwas Entlastung und Inspiration mit geben können.

In zunehmend mehr Schulen und Kindergärten wird das Thema Sexualität (Sexualorgane, ihre Nutzung, wer mit wem usw.) mittlerweile viel zu früh oder in einem Umfang an die Kinder herangetragen, wie es absolut nicht notwendig ist.
Kinder hören auf dem Pausenhof und unter Spielkameraden Wörter und Beleidigungen, die vulgär sind und die Geschlechtsteile als etwas Negatives darstellen und zur Nutzung im Streit oder zur Erniedrigung bspw. verwenden.

Als muslimische Eltern sollten wir also stets im Hinterkopf haben, in welcher Umgebung unsere Kinder groß werden und wie wir darauf einzugehen haben, anstatt sie mit Schweigen und Tabus von uns zu distanzieren. Denn durch Wegschauen löst sich das alles nicht einfach auf! Wir müssen genau da ansetzen und den Kindern ein positives Verständnis vom Körper und seiner Sexualität mitgeben. Und wir müssen stets unsere Verantwortung wahrnehmen ihnen sexistische und erniedrigende Ausdrücke, die an sie herangetragen werden, abzugewöhnen.

Eine kind- und altersgerechte Aufklärung über den Körper ist absolut notwendig. Dies führt auch dazu, dass eine Art von Umgang und Vertrauen stattfindet, welche extrem wichtig sind in einer Eltern-Kind-Beziehung. Auch um als Kind selbst feststellen zu können, wann etwas mit dem eigenen Körper gemacht wird, was nicht richtig ist, trägt eine gewisse Aufklärung zum Schutz der Kinder bei. (Missbrauch)

Sprachlich halte ich es als extrem wichtig, selbstsicher und kindgerecht ohne ständig rumzudrucksen ins Gespräch mit den Kindern zu gehen. Aus diesem Grund habe ich mir bei diesen Themen „Warum betest oder fastest du nicht? Mama, wie kam mein Bruder in den Bauch? Was ist sexen?“ usw. stets genau überlegt, was ich erzählen möchte und wo ich für mein Kind eine Grenze sehe.

In der islamischen Religion kennen wir keine falsche Scham. Schon die Sahaba (männl. und weibl.) stellten dem Propheten (sas) sehr intime Fragen, die u.a. auch für die Praktizierung wichtig waren. Und es wurden auch Themen vom Propheten (sas) selbst angesprochen, die zum Intimleben gehören, wie Beispielsweise der Beischlaf zwischen Mann und Frau und dass dies bei Allah etwas Gutes ist. (Hadith siehe am Ende)
Jedoch werden stets eine gewisse Contenance und ein respektvoller Ausdruck gewahrt. Dies dient uns als Vorlage.

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Mama, was ist „sexen“?
Aufklärung in muslimischen Haushalten- Offenheit, Vertrauen und angebrachte Schamhaftigkeit unter einem Hut.

- Hauptteil -

Erste Phase:
So, wie wir mit der Zeit die Namen der gesamten Körperteile erlernen, so erlernen wir auch die Namen für alle Öffnungen und Orte im unteren Bereich des Körpers, sofern es sich ergibt. Und zwar völlig ungezwungen und ohne künstliche Gesprächseinleitung.
Für den Alltag haben wir die verniedlichte Variante etabliert und für ernsthaftere Gespräche die Originalversion. Das war es schon. Bspw. Bubu statt den den Namen des männl. Geschlechtsteils.

Zweite Phase:
Warum betest und fastest du nicht, Mama? :
Diese Frage kennen wir Mütter doch alle. Es ist Ramadan und das Thema Fasten wird ausgiebig erörtert, „bebastelt“ und vieles mehr. Dann kommt der Tag (Beziehungsweise DIE Tage;) ) und damit die Frage der aufmerksamen Kinderlein, warum man denn nun etwas isst (heimlich in der Küche) oder ob man zu faul zum Gebet ist.
Tja, Leute, nu´ ist´s zu spät, die Bombe geplatzt und das Kind zu groß für blöde Ausreden!

Also ist meine Antwort, die als Vorlage für spätere "Aufklärungsgespräche" dient: „Nun ja, Mausi-Bausi, als Frau blutet man einmal im Monat aus der Mumu. Das hat Allah extra so gemacht und es bedeutet, dass man als Frau Babys bekommen kann. Das ist etwas ganz Normales und total in Ordnung. In dieser Zeit brauchen wir Frauen nicht zu fasten und zu beten. Jetzt befinde ich mich gerade dieser Zeit.“
Ein, zwei Tage lang führen wir immer mal wieder ein paar Gespräche darüber und fertig. Thema abgehakt. Keine Fragen mehr.

Dritte Phase:
Als meine Tochter bei ihrem Babybruder entdeckt, dass es untenrum anders ausschaut hakt sie nach. Ich erkläre, dass Allah Mädchen und Jungs unterschiedlich erschaffen hat und es bei Jungen eben so aussieht. Gemeinsam geben wir der Neuentdeckung einen niedlichen Namen, nachdem der richtige Begriff erwähnt wurde.
Einzige Frage: „Wie kann er denn pullern, der arme, der hat doch gar keine Mumu?!“ Also erkläre ich heute detaillierter als noch ein Jahr zuvor, wo genau eigentlich die Öffnung für die Puller ist und dass das beim Bruder an einem anderen Ort funktioniert.

Vierte Phase:
„Mama, wie kam das Baby eigentlich in deinen Bauch und wie kommt es da wieder raus? Durch den Nabel?“ Meine Tochter ist vier Jahre alt, also entscheide ich mich für eine noch oberflächliche Erklärung- doch ohne dabei zu lügen, das ist mir stets wichtig: „Nein, das Baby kommt nicht durch den Bauchnabel raus. Da würde es ja gar nicht durchpassen. Allah hat es in meinem Bauch wachsen lassen. Und jede Frau so erschaffen, dass sie die Babys durch die Mumu nach draußen bringen lassen können, aber erst wenn das Baby alt genug ist. Es sollte schön wachsen und stark sein für diese Reise nach draußen. Das nennt man dann Geburt.“
„Ahaaaa“, staunt mein Kindergartenkind und freut sich, wie das alles so schön erschaffen wurde. Thema beendet - vorerst.

Fünfte Phase:
Jetzt geht´s ans Eingemachte:
Zu Hause werde ich beim Kochen von meiner Tochter (inzwischen Erstklässlerin) gefragt, was denn sexen heißt. Mir fällt beinahe der Kochlöffel aus der Hand, da ich in dem Alter so gaaar nicht mit diesem Begriff gerechnet habe. Schon gar nicht an der gehobenen Schule, welche sie besucht. Nun gut, ich höre mir erst einmal an, wo sie denn dieses Wort herhat. Während des Essens erzählt sie, dass zwei Kinder aus der zweiten Klasse (!) sie und ihren Spielkameraden ärgerten, indem sie sagten: „He, he, ihr könnt ja gleich mal um die Ecke sexen gehen! He, he!“ Außerdem fragt sie sich, was „Scheide“ und „Penis“ denn damit zu tun hätten. Nachdem mein Mann und ich uns alles angehört haben, biete ich ihr an: „Lass uns ganz in Ruhe, von Mama zu Tochter, nach dem Essen im Kinderzimmer darüber sprechen.“
Wir sitzen also mit einem Glas Tee zu zweit zusammen und beginnen unser Gespräch, indem ich meine Tochter frage:
„Weißt du noch, wie du mich mal gefragt hast, wie die Babys in den Bauch kommen, und wie ich dir erklärte, dass Allah das möglich macht und dass…“
„…und dass dazu immer eine Frau und ein Mann gehören“, nickt meine Tochter ergänzend.
„Genau, prima. Ich habe dir noch nicht erklärt, wie genau Allah das macht. Schau mal, im Bauch der Frau gibt es ganz viele winzig kleine Eier. Jeden Monat macht sich eines davon auf den Weg und wartet an einer bestimmten Stelle im Bauch auf etwas ganz Besonderes, damit…“
„…damit daraus dann ein Baby werden kann?“, fragt mein Töchterchen.
„Ja, genau. Und wenn diese besondere Sache nicht zum Ei kommt, dann…“
„…aaaah, dann kommt dieses Blut, stimmt´s?“, wirft sie wieder ein.
Ich bin schwer begeistert, wie unsere vorherigen Gespräche bei ihr hängen geblieben sind und wie sie langsam die Dinge miteinander verbinden kann.
„MashaAllah, Schlaues Mädchen, ganz genau. Was ist denn aber diese besondere Sache, die das winzige Ei im Bauch der Mama treffen muss, damit ein Baby daraus werden kann?“, stelle ich ihr nun die Frage.
„Hm, keine Ahnung“, gibt sie zu.
„Das ist etwas, was vom Mann kommt. Ein Samen. So ähnlich wie bei Blumen und Bäumen. Die haben auch Samen, die dann in der Erde zu neuem Leben heranwachsen. Der Samen des Mannes sieht aber anders aus und ist auch ganz winzig klein.“
Töchterchen schaut mir tief in die Augen. Ich sehe, wie es bei ihr im Kopf arbeitet und fahre fort:
„Dieser Samen ist in diesem runden Ding unter dem Bubu. Und dieses runde Ding nennt sich Hoden. Dort gibt es Millionen von diesen Samen, die nur darauf warten, ein Ei zu treffen.“
„Das Teil, das bei meinem Bruder aussieht wie eine Glocke, ne?!“
„Ganz richtig. Das nennt man Hoden. Damit die Samen aber zum wartenden Ei gelangen können, müssen die Frau und der Mann ganz dolle miteinander kuscheln. Mehr als kuscheln sogar, sodass der Bubu und die Mumu sich treffen und die Samen durch die Mumu zum Ei schwimmen können. Das nennt man dann Sex und nicht sexen“ - das finale Ende! Ihrem Alter entsprechend möchte ich nicht groß ausschmückend erläutern, was noch alles dazu gehört.
„Hm. Dann kann ein Baby entstehen“, nickt sie verständnisvoll.
„Ja, wenn Allah will!“
„So richtig verstehen oder vorstellen kann ich mir das nicht, Mama. Aber das ist gar nicht wichtig, denn ich bin ja noch ein Kind. Deswegen hast du mir das alles vorher bestimmt nicht so genau erklärt, oder?“
Mir kommen die Tränen vor lauter Bewunderung. MashaAllah!
„Genau das ist es. Wie gut du das alles schon verstehen kannst. Dieses Thema ist eigentlich gar kein Kinderthema. Das wird erst später wichtig. Aber jetzt, da die Kinder dich damit ärgern wollten, mussten wir das wohl mal so ein bisschen besprechen.“
„Ich denke, dass man das alles erst ganz genau verstehen muss, wenn man schon groß ist. Ähm, so 13 oder 14 oder sowas. Oder sogar erst, wenn man heiraten will. Denn das macht man ja dann nur mit dem Ehemann, so wie mit dem Küssen. Und dann nur, wenn man alleine ist“, überlegt sie weiter.
„Da sagst du etwas, das absolut richtig ist. Wie schlau du bist, MashaAllah!“, was soll ich dem noch hinzufügen?
„Stell dir mal vor, man wird dick und denkt dann oh, ich habe zu viel gegessen. Ja, und dann kommt da plötzlich eine Riesenüberraschung. Deswegen muss man ja auch Bescheid wissen, damit sowas nicht aus Versehen passiert.“
„Stimmt, und sobald man seine erste Blutung bekommt, sollte man schonmal gehört haben, dass man ab diesem Zeitpunkt schwanger werden könnte. Aber erst, wenn man verheiratet ist, darf man das als Muslim mit jemandem so dolle kuscheln.“
„Jaaaa. Nicht vorher. Nur mit einem Ehemann und nicht mit jedem, der hier rumläuft.“
Wir lächeln uns noch an und gehen langsam ins Wohnzimmer.
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Je älter Kinder werden, desto detaillierter wollen sie Vorgänge verstehen lernen und die Welt entdecken können. Ihr Umfeld, in dem sie sich täglich bewegen, wird größer und sie kommen mit immer mehr Menschen in Kontakt, die unterschiedlich sozialisiert und aufgeklärt sind, was das Thema Sexualität anbelangt. So bleibt es nicht aus, dass sie früher oder später mit Fragen nach Hause kommen, die wir in der Altersstufe so vielleicht noch nicht erwarten, uns ihnen aber stellen müssen, um Fremden nicht die Aufklärung und ihre Form zu überlassen.

Ich selbst wurde so erzogen, dass mein Stiefvater uns ständig mit einem Schamgefühl überschüttet hat, welches an vielen Stellen unnötig oder gar falsch war. Denn je älter ich wurde, desto zügelloser und offener sind die Kids um mich herum mit dem Thema Sexualität umgegangen. Ja, sie empfanden es zu großen Teilen sogar als „Must-Have“, bestimmte Erfahrungen bereits vorweisen zu können. Und so befand ich mich zwischen Tabu und völliger Grenzenlosigkeit. Wenn sich ein Kind darin verirrt, ist das ja wohl kein Wunder! Eltern sollten zu Hause offen und respektvoll mit diesen Themen umgehen und den Kindern Antworten geben, nach denen sie suchen. Sie sollten stets ein offenes Ohr haben, wenn die Kinder und Heranwachsenden etwas verarbeiten müssen, was sie in der Schule gehört oder gesehen haben. Nur so kann man wirklich versuchen Schaden, jeglicher Form, abzuwenden und einen angemessenen Puffer bieten.
Ab einem bestimmten Alter ziehen sich Jugendliche in der Regel zurück, wenn es um intime Themen geht. Doch je offener (nicht vulgär!) man all die Jahre mit ihnen in dieser Thematik im Gespräch war, desto eher öffnen sie sich auch, wenn man dann mal als Elternteil ein Gespräch suchen möchte und muss.

Also lasst und verantwortungsbewusste Eltern sein, die die Lebensrealität ihrer Kindern in KiTa, Schule und Sportverein kennen und nicht so tun, als gäbe es da draußen nichts, dass die Kinder bewegt.

 

🖋️ Eure Namika dS

 

Es wurde von Abu Dharr – Allahs Wohlgefallen auf ihm – berichtet, dass der Gesandte Allahs – möge Allah ihn loben und Heil schenken – sagte: “[…] Und im Geschlechtsverkehr von irgendeinem von euch gibt es Belohnung.” (d.h. wenn man mit seiner Frau schläft). Sie sagten: „O Gesandter Allahs, einer von uns stillt damit seine Begierde und darin ist für ihn (trotzdem) ein Lohn?“ Er sagte: „Meint ihr nicht, dass, wenn er dies auf verbotene Weise erfüllen würde, auf ihm Sünde wäre? Und ebenso ist es, wenn er dies auf erlaubte Weise tut, dann bekommt er dafür Belohnung.“ [verzeichnet bei Muşlim, 720].

 

Der Prophet – möge Allah ihn loben und Heil schenken – sagte: „Wenn einer von euch Geschlechtsverkehr mit seiner Frau hatte und wieder zurück (zum Geschlechtsverkehr ) möchte, soll er zwischen ihnen (den beiden Akten) Wudū` vollziehen, denn das gibt mehr Energie für das zweite mal.“ [verzeichnet bei Muşlim, 1/171].

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Yasmin (Dienstag, 24 Mai 2022 17:55)

    Vielen Dank Schwester
    Das Hilft uns sehr
    Da jetzt unser kinder 9 & 11 jahre mit der Frage
    Was ist sex?

    Kommen. Sind wir überrascht:)

    MiG
    Yasmin