Zwangsheirat und Ehremord- Teil des Islam?

Zusammenfassend möchte ich gleich zu Anfang erwähnen: Nein, mit dem Islam haben Ehrendmorde und Zwangsheirat NICHTS zu tun. Aber ja, dieses Problem gibt es durchaus auch in der MUSLIMISCHEN Community (so wie in vielen Gesellschaften dieser Erde!).

Dieses Thema kommt immer wieder in den Medien vor und wird nur mit dem Islam in Verbindung gebracht. Ich möchte mich heute dieser These widmen. Im ersten Teil mit Fakten und im zweiten Teil mit meinem kurzen Erfahrungsbericht und persönlichen Gedanken.

Aus meiner Mini-Umfrage, die ich gestern auf meinem facebook-Blog startete – die Frage: „Hast du jemals in deinem muslimischen Bekanntenkreis einen Fall von Zwangsheirat, Ehrenmord o.ä. beobachtet oder gar (mit)erlebt?“ - und an der 69 Personen teilnahmen, ergab sich folgendes Ergebnis:
83% antworteten mit „Nein“ und 17% mit „Ja“. (Dies ist natürlich keine repräsentative Studie)
Dieses Ergebnis empfinde ich als schockierend, denn 17% sind zu viele Erfahrungen! Ich wünsche mir für die Zukunft, dass diese Probleme abnehmen.

Faktencheck:

Zwangsheirat und Ehrenmorde an Frauen weltweit und national (Deutschland)

Laut Amnesty International gibt es die Zwangsheirat in sämtlichen Gebieten und unter den verschiedensten Religionsanhängern und Atheisten dieser Erde. (http://www.amnesty-frauen.de/Main/Zwangsheirat)

Was die Ehrenmorde anbelangt gilt folgendes als erwiesen:

„Eine rechtssoziologische Studie von Dietrich Oberwittler und Julia Kasselt widerlegte 2011 die verbreitete ausschließliche Assoziation des Phänomens der Ehrenmorde mit dem Islam. Es hängt vielmehr mit bestimmten Traditionen in den Herkunftsgebieten der Familien zusammen. Eine Mehrzahl der türkischen Täter stammte aus Ostanatolien. Darunter waren sowohl ethnische Türken, als auch Kurden, darunter Jesiden, sowie syrisch-orthodoxe Aramäer.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Ehrenmord…)

„Ehrenmorde sind bekannt (…) in einigen anderen Ländern, die nicht zum Mittelmeerraum gehören wie Mexiko, Ecuador, Brasilien, Ostafrika, Malaysia, Papua-Neuguinea, Kambodscha (…).“ ( https://www.igfm.de/themen/ehrenmorde/tradition/)

Ehrenmorde und Zwangsheirat sind ein gesellschaftliches Problem, das angesprochen, bekämpft und verhindert werden muss und zwar egal welchen persönlichen Background die Täter haben und wer die Opfer sind! Und unabhängig davon wie die Täter ihre unmenschlichen Vorgehensweisen „rechtfertigen“. Dieses schreckliche Phänomen nur auf muslimische Opfer zu reduzieren führt dazu, dass all jene Opfer dabei missachtet und unerwähnt bleiben, die nicht in dieses kurzsichtige und falsche Erklärungsmodell fallen (Griechinnen, Italienerinnen, Inderinnen etc.). Doch jedes Opfer verdient es erwähnt und beachtet zu werden!

Wir halten fest:

(1) Wenn ein irregegangener Muslim solch abscheuliche Taten verübt, dann weil ER als Person Schlechtes tut und nicht der Islam! Denn der verbietet dies ganz klar!
(2) Zwangsheirat und Ehrenmorde sind auf dem gesamten Erdball in verschiedenen Kulturen vertreten. Sie sind religions- und Ethnien unabhängig!

Was sagt der Islam dazu?

Buraida (Allahs Segen und Frieden sei auf ihm) sagte, dass eine junge Frau zum Propheten (Friede und Segen seien auf ihm) kam und sagte: „Mein Vater verheiratete mich mit dem Sohn seines Bruders, um sein Ansehen unter den Leuten zu erhöhen.“ Der Prophet (Friede und Segen seien auf ihm) machte darauf die Gültigkeit der Ehe von ihrer Entscheidung abhängig. Daraufhin sagte die junge Frau: „Ich akzeptiere und befürworte die Entscheidung meines Vaters, doch ich wollte den Frauen nur beweisen, dass Väter in dieser Sache keinen Zwang ausüben können.“ (Überliefert in Ibn Majah, Imam Ahmad, An-Nasa’i)

»Eine bereits einmal verheiratete Frau (geschieden oder verwitwet) darf nur verheiratet werden, wenn dies mit ihr besprochen wurde. Und eine Jungfrau darf nur verheiratet werden, wenn sie der Heirat zustimmt. (…)« (Auszüge aus Sahih Al-Bucharyy, Islamische Bibliothek; Hadith Nr. 5138)

„Eine Frau zu einer Ehe zu zwingen, widerspricht komplett dem Sinn einer Heirat. Allah möchte Liebe und Mitgefühl zwischen dem Ehepaar. Wie können diese entstehen wenn sie [die Ehefrau] Ihn hasst und nicht mag? Welche Art von Liebe und Zuneigung sollen in so einem Fall schon entstehen? […] So hat eine Frau vielmehr ein Recht darauf, eine Ehe mit jemandem abzulehnen, den sie nicht will“ (Ibn Taymiyya, muslim. Großgelehrter/ Majmoo‘ al-Fataawa, 32/25)

Der wohl wichtigste Punkt ist hier nun folgender für die Muslime:
O ihr, die ihr glaubt, hört auf Allah und den Gesandten, wenn er euch zu etwas aufruft, das euch Leben verleiht, und wisset, dass Allah zwischen den Menschen und sein Herz tritt, und dass ihr vor Ihm versammelt werdet. [8:24]

Wir sind dazu angehalten dem Wort Allahs (Qur´an) und dem Vorbild unseres Propheten (sas) Folge zu leisten, was heißt, dass wir solch barbarische Praktiken nicht verüben dürfen, da sie keinerlei Grundlage in der Religion haben und ihr absolut widersprechen!
Es gibt noch weitaus mehr islamische Belege zu diesem Thema, die verdeutlichen, dass eine Zwangsheirat absolut unzulässig ist und dem islamischen Verständnis von Eheschließung widerspricht, genau so wie im Falle von Ehrenmorden (die ja nichts anderes sind als Selbstjustiz oder anders geartete Gewaltverbrechen). Wir Muslime MÜSSEN also unsere traditionellen Vorstellungen korrigieren, wenn sie gegen den Islam verstoßen.

Zu dem Thema gibt es bereits massenweise Vorträge und Aufklärungsartikel im Netz, so dass ich mich an dieser Stelle kurz halten möchte.

Wir halten fest:

~> Ehrenmorde und Zwangsheiraten dürften nicht in strenggläubigen muslimischen Familien stattfinden, da diese sich an die Gesetze ihrer islamischen Religion halten und daher tunlichst derartige Gewalttaten unterlassen.
(!) Sondern sie finden in Familien statt, die zwar (eventuell) von sich behaupten religiös zu sein, aber keinerlei Wissen in ihrer Religion haben und an Stelle dessen eigenen Traditionen folgen. Soll heißen: ein bärtiger, nach Außen hin muslimisch wirkender Vater und Bruder sind nicht zwangsläufig wirklich praktizierend in ihrer Religion sondern stellen mitunter ihre traditionellen Vorstellungen über die korrekte Religionsausübung.

Nun möchte ich also übergehend die Problematik ansprechen, die unsere islamische Gemeinschaft heimsucht. Sie geht von Traditionalisten aus, die kaum noch etwas mit ihrer Religion am Hut haben, ihre kranken Vorstellungen aber als religiös motiviert tarnen- wie bereits erwähnt.

▪️Meine Erfahrung mit dem Thema Zwangsheirat

Ein Mädchen namens Aliah

In meiner Klasse gab es zwei pakistanische Mädchen. Eines davon kam aus einer gebildeten, wohlhabenden und einflussreichen Familie Pakistans. Die andere aus einer ärmlichen kinderreichen- ihr Name war Aliah. (Name geändert)
Ihre sechs kleineren Geschwister waren stets auf die Versorgung durch sie als ältere Schwester angewiesen, denn die deutsche Mutter und der pakistanische Vater waren längst geschieden. Die Kinder lebten beim Vater, der viel arbeitete und wenig zu Hause war. Wenn er da war schlug und misshandelte er seine Kinder. Ganz besonders seine älteste Tochter, die mit mir zu dieser Zeit in der siebten und später achten Klasse war. Wenn die Wohnung nicht gründlich genug geputzt war, kein „ordentliches“ Essen auf dem Tisch stand oder die kleinen Kinder nicht ausreichend beschäftigt waren, musste Aliah Prügel vom Vater einstecken. Die Mutter wusste um die Situation ihrer Kinder war aber mit ihrem eigenen Leben völlig überfordert.

Wehe Aliah verließ das Haus – außer zur Schule – und wehe sie ging nicht in die Moschee, um dort den Qur´an auswendig zu lernen (Der Qur´an, der vom Vater selbst vernachlässigt wurde!). Ganz zu schweigen von Gesprächen mit männlichen Kameraden!

Paradox war, dass der Vater selbst kaum seine Religion praktizierte, sondern nur auf Regeln in Bezug auf seine Töchter beharrte. Seinem jüngeren – und einzigem - Sohn las er natürlich die Wünsche von den großen braunen Augen ab und befahl diesem auf die „Weiber“ zu achten, wenn er selbst nicht Daheim war.
Ungepflegt, schlecht auf die schulischen Anforderungen vorbereitet und schwer depressiv schleppte sich Aliah jedoch Tag für Tag in die Schule. Denn hier hatte sie etwas Freiraum und Schutz vor der Tyrannei zu Hause.

Eines Tages, nach den Sommerferien, erschien sie jedoch nicht mehr in der Schule. Für Monate war sie spurlos verschwunden. Die Lehrer hatten nur die Notiz vom Vater erhalten, dass seine Tochter derzeit in Pakistan war.

Ungefähr ein halbes Jahr nach Schuljahresbeginn – wir waren nun in der achten Klasse – erschien Aliah plötzlich im Klassenraum. Wir alle bombardierten sie mit Fragen, wo sie denn so lange gesteckt hatte. Was wir zu hören bekamen, ließ mir und den anderen das Blut in den Adern gefrieren:

Unter dem Vorwand einen Heimaturlaub zu verleben, wurde die gerade einmal fünfzehnjährige Aliah nach Pakistan gelockt. Dort angekommen wurde ihr ein weitaus älteres männliches Familienmitglied bekannt gemacht und ihr eröffnet, dass sie diesen Mann zu heiraten hat. Ausgeliefert und wehrlos musste Aliah die Eheschließung über sich ergehen lassen und den Geschlechtsakt unter Gewalt ertragen. Nur mit einer List gelang es ihr das Land zu verlassen und nach Deutschland zurückzukehren.
Zurück in Deutschland begab sie sich in die verwahrloste Wohnung ihrer Mutter, wo sie Schutz erhielt. Den Kontakt zum Vater brach sie ab und lebte von nun an ein anderes heilloses Leben.

Wochenende für Wochenende besuchte sie wilde Parties und ließ sich gehen. Auf einer Toilette wurde sie von einem Mann sexuell ausgebeutet. Er ließ sie sturz betrunken zurück. Eine Freundin fand sie im letzten Moment, und rief den Krankenwagen – Leberversagen, Alkoholvergiftung. Der nächste junge Mann bei dem sie nach Liebe und Zuwendung suchte missbrauchte ihre Situation ebenfalls und verlangte im Gegenzug körperliche „Nähe“. Aliah gab sie ihm, so wie er sie sich wünschte, und konnte eine Woche lang nicht mehr auf dem Schulstuhl sitzen vor lauter Schmerzen im Gesäß.

Vom Islam und Muslimen hatte sie die Nase voll. Sie brach mit allem. Unsere Realitäten in Bezug auf den Islam war so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Während ich mich mit dem Islam an sich beschäftigte und keinen Wert auf das legte, was wir „geborene“ Muslime alles erzählten, nahm sie die Eindrücke und falschen Geschichten ihrer angeblich muslimischen Familienmitglieder ungefiltert auf, ohne den Islam an sich zu hinterfragen und zu erforschen, ob die Aussagen denn stimmten. Ich kann es in gewisser Weise verstehen.

Ich bin sauer und traurig um das was diesem armen Mädchen angetan wurde. Wie der Vater den Islam als Rechtfertigung nahm, um sie in Pakistan zwangsverheiraten zu können, wie er sie misshandelte und ausbeutete.
Immer mal wieder frage ich mich, ob ihm je bewusst werden wird, dass er vor Allah – dem Gepriesenen – dafür zur Verantwortung gezogen wird, was er seiner Tochter antat.

Diese Schicksale sind traumatisierend für die Betroffenen (ob männlich oder weiblich) und es ist kein Wunder, dass wenn ihnen von klein auf eingeredet wird, dass dies Allahs Wille ist, sie sich von ihrer Religion abwenden!

🖋️ Eure Namika dS

 

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